Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Wollbeurteilung

 

Eine Besonderheit der Säugetiere, und damit auch der Schafe, ist die Ausbildung eines Felles, welches beim Schaf als Wolle bezeichnet wird und dem Schutz vor Witterungseinflüssen (Wasser, Sonne / elektromagnetischer Strahlung, Wind) und der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur (Schutz vor Kälte und Wärme), der sog. Thermoregulation dient. Die Wolle wird gebildet aus einzelnen Haaren, die eigentlich der Oberhaut entspringen und deshalb als Hautanhangsgebilde bezeichnet werden,  jedoch tief in der Lederhaut verankert sind. Ein Teil des Haares, die Wurzel, befindet sich deshalb in der Haut und ist nicht sichtbar, während das eigentliche Haar sich über der Haut befindet, sichtbar ist und bei der Schur abgeschnitten wird. In der Systematik fasst man die Wollhaare zusammen zu Wollsträhnen, diese zu Wollstapeln und letztendlich zum Wollvlies. Die Schutzwirkung der Wolle ergibt sich immer aus der Gesamtheit der Wollhaare des Tieres, dem sog. Wollvlies, und hängt nicht nur von der Haarstruktur sondern auch vom Wollfett (Lanolin) ab, welches die Haare geschmeidig macht, die Wollhaare zu Stapeln verbindet und so das Fell wasserabweisend macht und glänzen lässt. Entsprechend des Aufbaues eines Haares lassen sich bei Schafen drei Sorten von Haaren unterscheiden:

  1. Stichelhaare als sog. Spürhaare (gerade, markhaltig, kurz, spröde)
  2. Grannenhaare zur Wasserableitung (länger als Stichelhaare, markführend, schlicht ohne Kräuselung)
  3. Woll- oder Flaumhaare zur Isolation (gekräuselt, markfrei, büschelweise angeordnet)

Der Heritabilität (Erblichkeit) der Wollqualität ist relativ hoch (höher als beim Exterieur), so dass nur Tiere mit hoher Wollqualität zur Weiterzucht ausgewählt und eingesetzt werden sollten, auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung der Wolle heute de facto unbedeutend ist, und dies aus wirtschaftlichen Gründen deshalb eigentlich als unsinnig erscheinen muss. Die Bedeutung der Wolle - und damit der Wollqualität - liegt heute im Wesentlichen in der Funktion der Wolle (Schutz vor Witterungseinflüssen und Temperaturregulation) und ist damit ein Mittel zur Beurteilung der Tiergesundheit und der Ästhetik des Tieres. Insbesondere bei Landschafen wie den grauen gehörnten Heidschnucken, die sich durch Robustheit und Widerstandsfähigkeit auszeichnen, ist deshalb zum Schutz und zur Gesundheit der Tiere auf eine hohe Wollqualität zu achten.

 Die Beurteilung der Wolle kann grundsätzlich auf zwei Ebenen erfolgen:

  1. Der Bewertung der physikalischen Eigenschaften (Dehnbarkeit, Festigkeit (= Tragkraft), Elastizität (= Dehnbarkeit), Hygroskopizität (= Wasseraufnahmefähigkeit)), die vor allem bei der Verarbeitung der Wolle wichtig sind, und
  2. Der Bewertung der formalen Eigenschaften der Wolle (Feinheit, Länge, Ausgeglichenheit, Kräuselung), die im Wesentlichen für die Tierbeurteilung der Schafe herangezogen werden.

Die Feinheit der Wolle ergibt sich aus dem Durchmesser des einzelnen Wollhaares, wird in Mikrometern gemessen (Tausendstel Millimeter) und liegt bei den deutschen Schafen zwischen 25 und 45 Mikrometern. Die Feinheit der Wolle hängt ab von den nachfolgenden Faktoren:

  1. Rasse (Landschafe haben gröbere Wolle als Wollschafe)
  2. Geschlecht (Böcke haben kräftigere Wolle als Muttertiere)
  3. Alter (Lämmer haben die feinste Wolle)
  4. Haltungsbedingungen (Mangelernährung, Lammungen, Stressperioden, Säugeperioden etc.).

Die Feinheit der Wolle ist bei einem Schaf auch nicht überall gleich, sondern nimmt „von oben nach unten“ und „von vorne nach hinten“ ab. Selbst innerhalb eines Haares gibt es – in Abhängigkeit von den Haltungsbedingungen – dickere und dünnere Stellen. Die Bewertung der Feinheit der Wolle bei der Tierbeurteilung erfolgt rassespezifisch, optisch und taktil (durch scheiteln und anfassen). Bei Heidschnucken finden sich, ähnlich wie beim Mufflon, dem direkten Vorfahren der Heidschnucken, zwei verschiedene Wollarten: Ein feines, isolierendes und wärmendes Unterhaar mit einer Stärke von ca. 22 bis 25 Mikrometern und ein kräftiges, langes, wasserableitendes und strahlenabsorbierendes (UV-Strahlung, Infrarotstrahlung) Grannenhaar mit einer Dicke von bis zu 50 Mikrometern.

 

Die Länge der Wolle kann durch den Züchter beeinflusst werden (Vererbung) und ist bei feiner Wolle meist kürzer als bei grober Wolle. Der Vergleich der Wolllänge ist schwierig und nur innerhalb einer Rasse und innerhalb eines sog. Wachstumszykluses möglich (von Schur zu Schur). Die natürliche Wolllänge ist bei sehr feiner Wolle ca. 5 cm, bei schlichtwolligen Schafen wie der grauen gehörnten Heidschnucke ungefähr 30 cm. Für die Tiergesundheit ist die Wolllänge von großer Bedeutung (Schutzfunktion der Grannenhaare bei Heidschnucken), bei der Bewertung der Tiere auf Ausstellungen von untergeordneter Bedeutung, da die Tiere nach einem vorgegebenen Schurtermin vorgestellt werden und deshalb meist nicht mit „vollem“ Längenwachstum bewertet werden.  

Die Ausgeglichenheit der Wolle ist eher für die industrielle Verarbeitung wichtig als für die Tiergesundheit, da die Unterschiede innerhalb eines Wollvlieses nicht so dramatisch sind, dass die Tiergesundheit beeinflusst wird. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Wollqualität  im Regelfall auf der Schulter am besten ist und dann „von oben nach unten“ und „von vorne nach hinten“ abnimmt. Ausgezeichnete Wollnoten sollten nur vergeben werden, wenn die Wolle an Schulter, Hochrippe und Keule von gleicher, vorzüglicher Qualität ist. Bewertet wird dies, indem die Wolle an diesen Stellen gescheitelt und miteinander verglichen wird. Hinweise auf die Wolldichte (Anzahl der Wollhaare pro Flächeneinheit) ergeben sich aus dem Widerstand, den die Wolle dem „scheiteln“ entgegensetzt. Da von gepflegten Tieren ausgegangen wird, sind Verfilzungen etc. dabei ausgeschlossen. Grundsätzlich gilt, dass kurze feine Wolle meist dichter ist als grobe lange Wolle.

 

Die der Kräuselung Wolle (= Wellung der Wolle) beeinflusst die Bildung der Wollstapel und damit der isolierenden Wirkung des Wollvlieses. Feine, dünne Wolle ist meist stärker gekräuselt (gewellt) als grobe Wolle und besitzt eine höhere Wolldichte. Grobe Wolle besteht aus dickeren Wollhaaren, ist weniger stark gewellt und steht „lockerer“. Die Anzahl der Wellen eines Wollhaares kann deshalb im Umkehrschluss für die Bewertung der Feinheit der Wolle herangezogen werden (je mehr Bögen, desto feiner). Eine Wolldichte zwischen 4.000 und 6.000 Wollhaaren pro Quadratzentimeter – wie bei der feinen Unterwolle der Heidschnucken -  bilden einen ausgezeichnete Isolationsschicht und ermöglichen es den Tieren, nicht nur im Sommer einer starken Sonneneinstrahlung zu trotzen, sondern auch im Winter Kälteperioden von über minus 20°C unbeschadet zu überstehen, sofern der Ernährungszustand der Tiere gut ist und Schutz vor Feuchtigkeit und Wind vorhanden ist. Die Kräuselung der Wolle wird in drei sog. Wellungsgruppen eingeteilt, in denen das Verhältnis von Wellungen (= Bogen) pro Länge (= Spannungslänge) des Haares berücksichtigt wird.

 

Wellungsgruppe a) flachbogige Wolle, die Länge der Spannung ist größer als die Höhe des Bogens. (Heidschnucken).

Wellungsgruppe b) normalbogige Wolle, die Länge der Spannung entspricht der Höhe des Bogens.

Wellungsgruppe c) hochbogige Wolle, die Länge der Spannung ist deutlich kürzer als die Höhe des Bogens.

 

Als Wollfehler gilt „zwirnige“ Wolle, die aus zu feiner Wolle besteht (die Wollbögen sind „überbögig“, dadurch entstehen keine Wollstapel und die Wolle entwickelt sich zum Zwirn). Diese Wolle steht locker, bildet keinen ausreichenden Kälteschutz und findet sich häufig am Bauch der Tiere. Ein weiterer Wollfehler ist die verfiltze Wolle, bei der die Wollhaare zahlreiche Querverbindungen ausbauen, die dazu führen, dass die Wolle sich dicht zusammenbindet und schwer zu scheiteln ist. Das behindert die Thermoregulation und Durchlüftung der Wolle und führt zu starker Wollschweißbildung mit Vergilbung. Unerwünscht ist auch der sog. Gelbschweiß, bei dem es sich um schwerlöslichen Fettschweiß aus Stearin und Palmitinsäure handelt, der die Wolle gelb färbt und die Verarbeitung behindert.

 

Die Qualität der Wolle einer Heidschnucke darf natürlich nicht nur auf der Basis von wirtschaftlichen Überlegungen bewertet werden, sondern in erster Linie natürlich über die Funktion, die Sie für die Heidschnucke hat. Sowohl im Sommer als auch im Winter dient die Wolle der Heidscnucke dazu, die Körperkerntemperatur in engen Grenzen konstant zu halten. Die Wolle hat damit eine zentrale, thermoregulatorische Funktion. Dies lässt sich eindruckvoll mit einer Wärmebildkamera bei niedrigen Umgebungstemepraturen zeigen. Die abgebildeten Infrarotaufnahmen zeigen, dass die Heidschnucken selbst bei einer Umgebungstemperatur von -15°C de facto keine Wärme nach Außen abstrahlen. Die Oberflächentemperatur der Wolle liegt mit -15,9°C nur sehr gering oberhalb der Umgebungstemperatur. Je geringer diese Temperaturdifferenz ist, desto besser ist die Qualität der Wolle und desto weniger Wärme verliert das Tier im Winter durch Wärmestrahlung.

Durch verfilzte und gescheitelte Wolle entstehen thermische Fenster, durch die die Heidschnucken sehr viel Wärme verlieren. An diesen Stellen lässt sich eine Obeflächentemperatur von ca. 5°C oberhalb der Umgebungstemperatur messen. Das ist der Grund, warum die Wolle der Heidschnucken möglichst dicht und gleichmäßig sein sollte. Der Feinheitsgrad der Wolle spielt mit Blick auf die Thermoregulation der Tiere eine nur sehr untergeordnete Rolle, wird bei der Bewertung der Wollqualität allerdings (fälschlicherweise) primär als Bewertungskriterium herangezogen.

 

Das auch Vögel zu den gleichwarmen Lebewesen gehören und somit ihre Körperkerntemperatur in engen Grenzen konstant halten, kann man an der Infrarotaufnahme unseres Zuchtpaares Cröllwitzer Puten sehen. Die alte Haustierrasse verfügt über eine ausgezeichnete Robustheit und hat selbst bei -15°C in Freilandhaltung  keinerlei Probleme. Auch bei den Puten liegt die Oberflächentemperatur nur geringfügig über der Umgebungstemperatur - ein Zeichen für perfekte Isolierung. Handelsübliche Mastputen wären bei diesen Umgebungstemperaturen vermutlich schon lange gestorben. Ein starkes Argument für die Erhaltung alter Haustierrassen.

 

Wolle zur Thermoregulation und zum "Strahlenschutz"Wolle zur Thermoregulation und zum "Strahlenschutz"

Infrarotaufnahme des Bundessiegers "Baruch" bei einer Umgebungstemperatur (Boden) von -11°C. Die Temperatur der Oberfläche der Wolle ist de facto identisch zur Umgebungstemperatur. Dies lässt auf eine ausgezeichnete Wolle schließen.Infrarotaufnahme des Bundessiegers "Baruch" bei einer Umgebungstemperatur (Boden) von -11°C. Die Temperatur der Oberfläche der Wolle ist de facto identisch zur Umgebungstemperatur. Dies lässt auf eine ausgezeichnete Wolle schließen.

Die mehr als 30 cm langen Grannenhaare der Wolle sind schön zu sehenDie mehr als 30 cm langen Grannenhaare der Wolle sind schön zu sehen

Infrarotaufnahme einer unserer ausgezeichneten garuen gehörnten Heidschnucken bei einer Umgebungstemperatur von -16,1°C. Die Oberflächentemperatur der Schnucke liegt nur 0,2°C über der Umgebungstemperatur. Ein Kennzeichen für ausgezeichnete Wolle mit perfekter Thermoregulation.Infrarotaufnahme einer unserer ausgezeichneten garuen gehörnten Heidschnucken bei einer Umgebungstemperatur von -16,1°C. Die Oberflächentemperatur der Schnucke liegt nur 0,2°C über der Umgebungstemperatur. Ein Kennzeichen für ausgezeichnete Wolle mit perfekter Thermoregulation.

Wellungsgruppen der WolleWellungsgruppen der Wolle

Wollstapel mit groben, langen Grannenhaaren und isolierender, feiner UnterwolleWollstapel mit groben, langen Grannenhaaren und isolierender, feiner Unterwolle

An den Stellen, an denen sich die Wolle durch die Bewegungen der Tiere öffnet, entstehen thermische Fenster mit hohem Wärmeverlust. Deshalb soll das Wollvlies möglichst gleichmäßig sein.An den Stellen, an denen sich die Wolle durch die Bewegungen der Tiere öffnet, entstehen thermische Fenster mit hohem Wärmeverlust. Deshalb soll das Wollvlies möglichst gleichmäßig sein.

Alte Haustierrassen sind modernen Zuchtstämmen in Bezug auf Robustheit weit überlegen. Selbst unser Zuchtpaar Cröllwitzer Puten hat mit hohen Minusgraden in Freilandhaltung kein Problem. Alte Haustierrassen sind modernen Zuchtstämmen in Bezug auf Robustheit weit überlegen. Selbst unser Zuchtpaar Cröllwitzer Puten hat mit hohen Minusgraden in Freilandhaltung kein Problem.